Kapitel 1 (8:45 p.m.)
Alan sitzt in seinem Auto und sucht über GPS einen abgestürzten Satelliten.
Seid drei Tagen herrscht ein Sturm an der Ostküste der ehemaligen USA. Seit drei Tagen konnte kein Kontakt mehr nach Olympus, der Stadt des Mars, aufgenommen werden.
Alan ist auf den Bildschirm fixiert. Suchend nach dem Satelliten, grübelt er über die Funktion des Gerätes das vom Himmel gefallen ist.
Der Regen trommelt gegen das Auto. Heftige und starke Windböen kommen immer wieder auf und der Wind pfeift durch die Schlitze und Ritzen des Wagens.
Der junge Söldner friert, er schlingt die alte Lederjacke enger um sich und legt den Laptop weg. Schweigend sieht er durch die Frontscheibe des Wagens. Das Land liegt versteckt hinter einem Vorhang aus Regenwasser.
Er betrachtet die verschwommenen Umrisse der alten verfallenen Häuser, die am Rand des alten Highways gebaut sind.
Ihre zerstörte Schönheit, den Glanz den sie trotzdem hergeben.
Langsam dreht er den Zündschlüssel des Wagens und löst die Handbremse. Er legt einen Gang ein und fährt los.
„Es hat keinen Sinn sich länger davor drücken zu wollen. Es bringt nichts wenn ich mich weiter weigere auf die Anweisungen der Senatoren zu hören und dem Problem mit dem Satelliten aus dem Weg zu gehen. Ich muss ihn finden, nur so lassen sie mich wieder in Ruhe.“ denkt Alan sich im Stillen.
Die Scheibenwischer machen ihm die Sicht auf die alte Straße wieder klar. Das Auto fegt regelrecht über den Highway, bald sieht Alan eine Person die auf die Straße stolpert.
Er tritt auf die Bremse und kommt kurz vor ihm zum Halt. Ein Schrecken durchfährt ihn. Alan schluckt leer, kurz darauf reißt er die Tür auf und steigt aus. Der Regen prasselt auf seinen Kopf und seine Schultern. „Bist du verrückt geworden?! Einfach vor mein Auto zu springen? Ich hätte dich überfahren können, du könntest jetzt tot sein!“ schreit Alan ihn an. Dann hält er inne und schluckt leer. Die Wunden des Mannes bringen ihn zum verstummen. Der Mann sieht ihn langsam an. Sein Gesicht ist blutverschmiert und seine Kleider sind dreckig durch Schlamm und Ruß. „Alan, bitte hilf mir…“ murmelt der Mann. Er schluckt leer und hustet.
In Alans Augen leuchtet ein Funke auf und geht zu dem Mann hin. Schnell und ohne nachzudenken stützt er den Mann. „Was ist passiert? Wer hat dir das angetan?“ fragt Alan leise. „Alan, bring mich in Sicherheit, ich verblute… bitte, ich erkläre es später….“ keucht der Mann zur Antwort. Alan sieht ihn an, er wischt ihm mit dem Ärmel des Sweatshirts das Blut aus dem Gesicht. Als er ihn erkennt, erschrickt er. „Jason…“ flüstert er. „Ja…bitte bring mich weg…hier wollen mir Leute an den Kragen….“ entgegnet der Mann. Alan nickt und bringt ihn zum Auto.
Jason scheint das Laufen zu schmerzen und ist auf die Stütze von Alan angewiesen. Er setzt sich mit Alans Hilfe ins Auto, auf den Beifahrersitz. Da versorgt Alan Jason kurz und verbindet die schlimmsten Wunden notdürftig.
„Hier in der Nähe gibt es ein Hostel an einer der alten Autobahnraststätten. Da kannst du dich ausruhen und es hat bessere Versorgungsmöglichkeiten. Es kostet nichts und es hat Essen…also was heißt hier Essen, Dosenfutter das noch nicht abgelaufen ist. Ich hab es als guten Unterschlupf entdeckt, als wir getrennt wurden. Seitdem bin ich alleine unterwegs.“ sagt er langsam und steigt selbst ein. Jason nickt, Alan fährt wieder los.
Auch wenn Alan nicht genau weiß warum, ist er angespannt. Das Gefühl, etwas falsches zu tun lässt ihn nicht los. Es nagt an ihn, hinterfragt all seine Gedanken und Absichten. Sein Hals schnürt sich ihm zu, er schluckt und macht eine Vollbremsung. Jason knallt fast an die Frontscheibe.
Alan zieht ein Buch, in dem die Direktiven stehen, aus seinem Handschuhfach und schlägt es auf. Murrend und knurrend blättert er es durch, auf der Suche nach einem Paragraphen, einem Satz oder einer Regel die es ihm verbietet jetzt Jason bei sich zu haben. Die ihm verbietet, Jason zu helfen. Eine Regel die widersprechen würde, dass er jetzt Zeit mit ihm verbringt. Doch findet er keine Silbe dazu. Er klappt das Buch zu und wirft es aufs Armaturenbrett und lehnt den Kopf ans Lenkrad. Er atmet ein paar Mal tief ein und aus, dann sieht er auf und fährt langsam weiter.
Jason dreht den Kopf weg von Alan und sieht aus dem Fenster. „Was hast du in deinem geheimen Regelbuch nachgesehen, dass dein Leben vielleicht rettet?“ fragt er leise. Den verletzten Unterton, versucht er zu überspielen doch Alan hört es. Er wird es nie haben, eine Chance auf ein Leben im All. Ein Leben auf der Venus oder dem Mars. „Was meinst du, Jason?“ entgegnet Alan leise. „Diese Regeln, sie bewirken doch, dass du nach Ve-Town kommst. Die Regeln die du hast, im Gegensatz zu uns. Die dir die Chance auf ein Leben auf Ve-Town geben. Auf ein erfülltes Leben, eine erfüllten Tod und der Chance auf Erinnerung.“ antwortet Jason. Alan schweigt einige Zeit, dann sagt er: „Ich will nicht nach Ve-Town. Da wäre ich alleine. Da hätte ich niemanden. Warum sollte ich da hin wollen, wenn doch meine Leute hier sind?“ Jason senkt den Blick. Die nächste Frage die er stellt, klingt emotionslos und kalt: „Wie viel bedeutet dir die Erde, Alan?“.
Erneut setzt Alan an um etwas zu sagen, doch er hält inne. Wie viel bedeutet ihm sein Heimatplanet? Kann er wirklich sagen er liebt den Planeten? Kann er es, und dabei jedem verdammten Senatoren der vereinten Planeten in die Augen sehen. Er liebt diesen Planeten. In seiner gesamten Schönheit. Der verflossenen Schönheit dieser Welt. Den majestätischen Bergen, tiefen Schluchten, dem Geräusch der reißenden Flüsse, dem Geschmack von echtem Regen auf seinen Lippen. Die Freiheit auf, dieser mittlerweile geheimen, Welt?
„Alan!“, reißt Jason ihn aus seinen Gedanken. „Hörst du mir überhaupt zu du Arsch?“
„Erde, sie ist alles für mich. Leben, Tod, Kindheit, Freiheit…alles was ich je wollte ist auf der Erde zu sein. Du weißt wovon ich spreche. Niemand ist freier als wir. Niemand auf Ve-Town oder Olympus kennt den Geschmack von Wasser frisch aus einer Quelle, oder den Geruch von frischem Gras im Weißen Haus, wenn der Frühling anbricht. Sie kennen die Sonne, wie sie sich jeden Morgen über den Horizont kämpft und das Geräusch der Regentropfen, wie sie auf das Auto prasseln, nicht. Sie kennen die Erde nicht, dafür kennen wir sie. Die Erde ist ein Paradies, unser Paradies.“ sagt Alan langsam.
Das Verletzte in seiner Stimme versucht er gar nicht erst zu unterdrücken. Das Verletzte und trotzdem stolze, dass er der letzte auf Erden geborene Mensch ist.
Stolz, dass er den Planeten nicht nur aus Geschichtsbüchern kennt.
Jason nickt. Beide sind ruhig und fahren einige Zeit weiter.